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der umgang mit ereignissen die gemeinhin als katastrophen bezeichnet werden ist von bestürzung betroffenheit geprägt aber nicht für alle manch einer empfindet das gemeine abwehrend genau das gegenteil freude häme triumph oder auch einfach gleichgültigkeit verwunderung oder auch gar nichts

dieser beitrag auf dlf nova offenbart diese verwunderung und ebenso freude – und einen sehr modernen egoismus dazu später

es sei eigentlich keine menschheitstragödie wird ein professor zitiert nun natürlich nicht denn die menschheit ist nicht in ihrem bestand bedroht worden es sind glücklicherweise keine opfer zu beklagen und nur sehr wenige verletzt worden uneigentlich ist es selbstverständlich eine menschheitstragödie da verlust von kultur und kulturdenkmälern stets eine tragödie ist wie der verlust von sprachen und erinnerungen man muss also über immaterielles fiktionales sprechen

es fühle sich wie ein angriff an heißt es im beitrag der brand fühlt sich nicht wie ein angriff an sondern wie ein verlust so wie sich der tod eines menschen nicht wie ein angriff anfühlt sondern wie ein verlust es ist von keiner aggression die rede gewesen

es würde in alten bauten eine alte ordnung ein altes machtverhältnis konserviert sagt ein professor auch das ist natürlich unsinn und impliziert einen begrüßenswerten gebäude-/bildersturm bei änderung der gesellschaftlichen verhältnisse (implizite bejahung der zerstörung der buddha-statuen 2001 durch die taliban) denn nicht die anwesenheit von gebäuden oder symbolen konserviert (in die gegenwart verlängert und erhält) macht sondern die anwesenheit von institutionen und in symbolen sind nicht die verhältnisse konserviert sondern die möglichkeit der betrachtung dieser verhältnisse die fragliche kirche wurde als machtzentrum nur symbolisch genutzt als anwesenheit historisch-kultureller entwicklungen in einem sich seit über 200 jahren von eben jenen religiösen machtverhältnissen weit entfernt habenden laizistischen staat ein altes buch der antike konserviert nicht die antiken machtverhältnisse für die gegenwart sondern das betrachten dieser in der gegenwart

Monumentale Bauten wie Notre-Dame stehen auch für Machtverhältnisse und Eliten – für eine Ordnung, die nicht mehr zeitgemäß ist. Diese Symbolträger haben dem Wandel der Zeit widerstanden. Und manche Menschen macht es nicht besonders traurig, wenn solche Bauten dann doch verschwinden.

wenn es um zeitgemäße richtigkeit der machtverhältnisse geht als bedingung für gegenwart und akzeptanz der symbolträger so sollten alle gebäude straßen städte staaten alle 50 jahre komplett neu gebaut werden denn in allen sind ihre überalterten unzeitgemäßen traditionen und machtverhältnisse eingeschrieben und symbolisch formuliert hamburger machtverhältnisse sozialverhältnisse im rathaus in den handels-/wirtschaftskammern in der börse in den kirchen in den stadtteilen überall sind machtverhältnisse in die gebäude geschrieben die nicht zeitgemäß sind oder als nicht zeitgemäß betrachtet werden können ich plädiere für ein im geist des zeitgemäßen durchgeführten abriss und evtl wiederaufbau hamburgs deutschlands europas insgesamt

eher ist wohl die freude zu sehen wenn solche bauten dann doch verschwinden dass ein zutiefst egoistisches bewusstes ignorieren und missverstehen sich äußert natürlich muss niemand über einen gebäudebrand bestürzt sein und viele blickwinkel erweitern das sichtfeld manche blickwinkel zeigen wie stark reduziert das verständnis für kulturelle prozesse und gesellschaftliche intellektuelle emotionale handlungen und handlungsverläufe inzwischen ist : dass ausschließlich die gegenwart als maßstab gesetzt wird die gegenwart als die eigene zeitgenossenschaft die egozentrische genossenschaft die für kulturelle historische prozesse kein sensorium mehr besitzt oder es ignoriert :

mein vater hat im vergangenen jahr eine schere in der wohnung verloren geglaubt eine metallschere die seinem vater gehört hat der schneider war die schere ist eines der wenigen artefakte des vaters meines großvaters den ich selbst nicht mehr kennengelernt habe als schere ist es ein beliebiges instrument und nach über einem halben jahr vergeblicher suche wollte er bereits eine ganz ähnliche kaufen wissend dass es nicht mehr die richtige gewesen wäre doch den verlust hatte er beinah schon verarbeitet ein materiell irrelevanter verlust ein artefakt alter tage an sich wertlos und erzählend von der armut des vaters als schneider er fand sie unerwartet hinter büchern wieder der immaterielle wert ist enorm die schere ist mit einer geschichte erzählung aufgeladen die sich zeitgenössisch nicht konkret erfassen lässt nur erzählend und emotional – seelisch würde alexander kluge sagen

dieses sensorium existiert auch in gesellschaften zeitläufe und handlungen von menschen gehen jahrhunderte über die zeitgenossenschaft hinaus ein hamburger jung wird auch mit dem besten verständnis für die kochkunst kein echtes wiener schnitzel zubereiten können ihm fehlen 800 jahre katholizismus dieser wiener schmäh versinnbildlicht scherzhaft wirkungsgrad kultureller lebensläufe man braucht den stephansdom oder notre-dame in seinem eigenen lebenslauf nicht er hat dort womöglich einen negativen stellenwert oder ist irrelevant man fährt nie hin ich war noch niemals in new york die stadt ist für mein eigenes dasein als zeitgenosse völlig irrelevant doch es zeugt von einiger ignoranz und egoismus daraus abzuleiten es sei ok wenn es daher auch verschwinden würde weil ich es nicht brauche und sich darin (kirche und oder stadt) von mir als nicht zeitgemäß abgelehnte machtverhältnisse symbolisieren oder konservieren aus gleichem grund ließen sich diverse gedenkorte einreißen wer wollte bezweifeln dass gebäude die mithilfe von zwangsarbeitern errichtet wurden unzeitgemäße machtverhältnisse beschreiben oder orte von tötungen und folter

es ist eine latente aggression in diesem gedanken und eine rechtfertigung der gewährung von zerstörung kulturellen gedächtnisses aus dem sinn des unzeitgemäß willkürlichen

sehr wahrscheinlich ist es dem gedanken nicht bewusst wie eng und streng er tatsächlich ist : er ist im grausamsten sinn vernünftig

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