X . X . c – was kann die kunst dafür

während sich der nur als symbol existenzberechtigte, sonst vollständig irrelevante russische schriftstellerverband den krieg in der ukraine voll unterstützt, wie auch nicht mit einem ex fallschirmjäger an der spitze, der für das verteidigungsministerium eine, nun ja, literaturzeitschrift herausgegeben hat, und sich die wirklichen autor*innen an die russisch sprechende bevölkerung der welt wenden mit einem aufruf zur guerilla-informationstaktik gegen die massive innerrussische zensur und kriegspropaganda, in der auch schulbildung von kindern nicht vergessen wird, dringt aus der ukraine wiederholt die aufforderung nach einem boykott russischer literatur, so auch am vergangenen donnerstag bei der solidaritätsveranstaltung im thalia theater, wo der live online zugeschaltete leiter des ukrainischen kulturinstitutes volodymyr sheiko die wesentlichen punkte benannte, zentral dabei die aussage, dass nach dem ende der sowjetunion und insbesondere unter putin die russische kultur und kulturgeschichte als ein werkzeug benutzt wurde zur dominanz und hegemonie des russischen gegenüber allen anderen sprachen und kulturen auf dem gebiet der ehemaligen sowjetunion, und dass diese dominanz nun endlcih zu brechen sei mit der absage an eben jene russische, vor allem traditionelle kultur, begleitend dazu befürwortete sheiko die entlassung von valerij gergiev oder die absage von anna netrebko an zukünftige auftritte, beides bekannte putin-freunde und aus ukrainischer sicht eben auch werkzeuge der russischen staatsführung zur verhinderung nicht-russischer kultur, womit die kultur insgesamt zu einem weiteren schauplatz des krieges geworden ist, eine flut von absagen, verweigerungen, rückzüge und aufkündigungen von kooperationen, filmabsagen, streamingdienste blockieren russland, der eurovision songcontest sperrt russland aus, aus allem ist ersichtlich, das russische insgesamt ist nun problematisch geworden, während vor der invasion die staatsgetreue und die dissidente kultur in europa gleichzeitig existieren konnten, wobei die boykottforderung russischer literatur in deutschland, da nicht zur differenzierung fähig, auf wenig gegenliebe stößt, denn der feind heißt putin, nicht puschkin, nicht anders sieht im bereich des films aus, wobei der russische film seit einigen jahren aus den kinos europa mehr und mehr von selbst verschwindet, stattdessen wird in europa der fokus auf künstler*innen aus der ukraine gelenkt, etwa in österreich mit shelter for ukrainian artists oder durch förderprogramme der baltischen staaten, polen und rumänien zur unterstützung von ukrainischen künstler*innen, um wenigstens die protagonist*innen der vielfältigen kulturlandschaft in der ukraine nicht zu vergessen, wo das immobile kulturerbe des landes umso gefährdeter ist, wie etwa der künstler konstantin akinsha auf seiner webseite dokumentiert, und der verein blue shield versucht, mittels vernetzung und austausch und mit konkretem bezug auf die haager konvention die bibliotheken museen archive und denkmäler zu bewahren, eine aufgabe, die sehr viel optimismus erfordert, da doch die russische armee bei ihren angriffen wenig rücksichtsvoll agiert, eine wiederholung des anblicks der brennenden bibliothek von sarajevo ist so jederzeit möglich, umso wichtiger dass die literatur und kunst selbst nicht vom krieg infiziert wird, sie trotz allen zorns auf die russische rücksichtslosigkeit und bewussten zerstörung nicht selbst destruktiv ist.

Update 25.3.22: dieses sehr lesenswerte Interview mit dem Filmregisseur Ilja Chrshanowski im Standard beschreibt die existierende und kommende Ödnis in Russlands Kulturlandschaft herausragend, auch die kommende russische Katastrophe, denn Putin und alle seine Helfer und Wähler und Getreuen und Vasallen zerstören das Land nachhaltig, seit 22 Jahren, in diesem Moment.

Update 27.3.22: ein Interview mit der inzwischen im belgischen Exil lebenden russischen Künstlerin Victoria Lomasko in der taz über die Schwierigkeit, als russische putinkritische den Krieg zutiefst ablehnende Künstlerin auch im europäischen Ausland derzeit auf enorme Schwierigkeiten zu stoßen.